Ein Land stürzt sich auf die Oppositonsführerin und schwingt die Rassismuskeule
(Autor: Ghassan Abid)
Südafrikas politisches System erlebt in diesen Tagen eine mediale Schlammschlacht um die Person von Helen Zille, Premierministerin des Westkaps und Vorsitzende der Democratic Alliance (DA) – der größten südafrikanischen Oppositonspartei.
Eine Kurznachricht auf Twitter, welche Zille am 20. März 2012 veröffentlichte, hat die deutschstämmige Politikerin unter immensem Druck gebracht:
„while E Cape education has COLLAPSED, the W Cape has built 30 schools in 2 years to accommodate ECape education refugees. Vuka!!”
Die Oppositionspolitikerin twitterte über den Kollaps des Bildungssystems im ANC regierten Ostkap und die daraus resultierende Notwendigkeit des vom DA geführten Westkaps, neue Schulen bauen zu müssen. In diesem Kontext bezeichnet sie die Migration der Bevölkerung des Ostkaps als „education refugees“ – zu Deutsch: Bildungsflüchtlinge.
Medien, die Regierung, der ANC und zivilgesellschaftliche Akteure haben sich auf diesen Skandal eingeschossen. Helen Zille steht seither unter starkem Dauerbeschuss. Ihr Account auf Twitter quillt über empörende Reaktionen förmlich über.
Zille ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt – so der Eindruck – ausschließlich mit der Pflege ihres Social Media-Kanals beschäftigt. In einem Kommentar antwortet Zille einem verärgerten Twitter-Nutzer: „We r comparing ANC bad governance with DA better governance“ (zu Deutsch: Wir vergleichen das schlechte ANC-Regieren mit dem besseren DA-Regieren“. Auch definiert Zille den Terminus Flüchtlinge damit, dass jemand aufgrund der Anwendung von Gewalt flüchten muss. Diesen umstrittenen Status quo wendet sie auf das Ostkap an und provoziert auf diesem Wege die Gemüter um ein Weiteres.
Basierend auf Angaben des DA-Politikers und Wirtschaftsjournalisten Gareth van Onselen sind – auf Grundlage des statistischen Halbjahresbericht zur Bevölkerungsentwicklung von 2011 – allein im Zeitraum 2006 bis 2011 über 104.215 Menschen vom Ostkap in den Westkap umgezogen. Im Gegenzug wanderten lediglich 29.899 Westkap-Bewohner in den Ostkap aus.
Dies ist die Ausgangslage, auf welche sich Helen Zille beruft und die keiner kritisiert. Vielmehr erweist sich die Nutzung des Flüchtlingsbegriffs für zahlreiche Institutionen und Südafrikaner als skandalös. Führende ANC-Politiker teilen eine verbale Attacke nach der anderen aus; teilweise auf einem beleidigendem Niveau.
Jackson Mthembu, Pressesprecher des Afrikanischen Nationalkongress (ANC), wirft Helen Zille eine Apartheidsmentalität vor, um Schwarze gemäß der DA-Politik vom Westkap fernzuhalten. Mthembu untermauert die Freizügigkeit aller Südafrikaner im eigenen Land und bezichtigt der „white racist party“ (zu Deutsch: Rassistenpartei der Weißen), diese Bewohner mit Ausländern gleichzusetzen.
Hinzu kommt der Vorwurf der Presidency, dass Helen Zille die diesjährige Rede zur Nation (SoNA) von Präsident Jacob Zuma verzerrt haben soll. Die Presidency zeigte sich darüber „schockiert und enttäuscht“, dass die DA-Politikerin die SoNA nicht wahrheitsgetreu rezitiert. Der Inhalt dieser Materie soll nicht thematisiert werden.
Entscheidend ist, dass Jacob Zuma und Helen Zille jede Möglichkeit nutzen, um den politischen Gegner an die Wand zu drücken. Die Politik Südafrikas zeigt in diesen Tagen einen Wahlkampfcharakter. Denn 2014 stehen die nächsten National- und Länderwahlen in Südafrika an.